Wie mobil kann stationäre Versorgung sein?

„Geht ein Patient zum Arzt…“, so beginnen gefühlt 100% aller Witze zur ärztlichen Versorgung in Deutschland.

An diesen Ablauf haben wir uns so gewöhnt, dass er wie selbstverständlich bis in unserem Humor Einzug genommen hat.
Von je her geht der Patient zum Aderlass, zum Medicus, zum Wundarzt, zum Doktor, ins Krankenhaus.
Die medizinische Versorgung ruht stationär, lässt die Kindlein zu sich kommen und arbeitet ab. Wer nicht kommen kann, der fällt durch das medizinische Netz.
Wer bequem ist, der missbraucht den überlasteten 112-Notfalldienst als ärztlichen Hausbesuch.
Wer wirklich in Not ist, scheitert am System.

Wir stoßen in vielen Regionen Deutschlands mit diesem System an unsere Grenzen. Ärzte sind Mangelware, Arztpraxen sind nicht besetzt, Krankenhäuser werden geschlossen, Patienten müssen gesundheitsgefährdend weite Wege auf sich nehmen, die Notfallversorgung droht zu kollabieren.
Das sind die Fakten und Grenzen, die aussichtslos und unüberwindbar erscheinen.
Unsere bisherigen Lösungsansätze bewegen sich im System des Landeskrankenhauspläne, der KV-Zulassungen und der stationären Behandlung.
Doch was wäre, wenn wir diese Systeme ein wenig neu interpretierten und auf die Bedürfnisse der Patienten anpassten?
Wenn wir Grenzen nicht als Endpunkte, sondern als Anfangspunkte setzten?

Wenn der Patient nicht mehr zum Arzt, zum Krankenhaus kommen kann, weil nämlich keines mehr da ist, warum kommt dann das Krankenhaus nicht zum Patienten?
Wo steht geschrieben, dass eine stationäre Versorgung nicht auch mobil erfolgen darf?

Stellen wir uns eine ländliche Region in Deutschland vor, in der die Bevölkerung älter ist und im weiten Umkreis weder Arzt noch Krankenhaus noch Supermarkt erreichbar sind.
Es gibt eine morgendliche und abendliche Zugverbindung in die nächstliegende Stadt.
Warum nutzen wir nicht das vorhandene Schienennetz, um einen Krankenhauszug von A nach B fahren zu lassen? Ein einziger Zug könnte eine ganze Region versorgen, als Facharztzentrum Patienten aufnehmen, ambulant versorgen und als Krankenhaus in kleinem Umfang röntgen, operieren und stationär behandeln.
Patienten wissen, wann der Zug zu ihnen kommt. Ein einstündiger Halt in jedem Bahnhof gibt Raum für Neuaufnahmen, Besuche, kleine operative Eingriffe. Die Patienten lassen sich behandeln und verlassen den Zug vor dessen Abfahrt, oder nutzen ihn als Transportmittel zum nächsten stationären Krankenhaus oder liegen während der Fahrt über mehrere Tage im Patientenbett.
Notfalldienst, KV und Krankenhaus schaffen ein gemeinsames Angebot und verzahnen ihre Angebote unprätentiös zur besseren Versorgung der Patienten.
Nur eine Vision?
Ein Blick über die Grenzen führt uns z.B. zum Train of Hope, der auf hohem Qualitätsniveau südafrikanische Patienten versorgt. Könnte der „Train of Hope“ auch für deutsche Patienten Hoffnung bringen?

Stellen wir uns eine ländliche Region in Deutschland vor, die noch nicht einmal mehr an das Schienennetz der Deutschen Bahn angebunden ist. Auch das gibt es zunehmend in Deutschland.
Warum nutzen wir nicht das Straßennetz und fahren regelmäßig mit einem mobilen Facharztzentrum à la CocaCola-Truck die verschiedenen Dörfer an? Ein einziger Truck könnte eine ganze Region versorgen. Die Patienten kennen seine Ankunftszeit, lassen sich behandeln, bekommen Rat oder eine Einweisung in ein entfernteres Krankenhaus.
Nur eine Vision?
Oder die für alle vorteilhafte Versorgung von Patienten?

Warum gehen wir nicht sogar noch einen Schritt weiter und bieten eine rollende Sozialversorgung an? Ein Sozial-Mobil ist mit hilfsbereiten Mitarbeitern und Dingen des täglichen Lebens bestückt.
Zu jedem Dorf bringt das Mobil Zeit zum Einkaufen und für Fragen der Bevölkerung mit. Hilfe beim Rentenbescheid, Versand eines Pakets, 2 Päckchen Butter. Und vor allen Dinge: einen Termin im Facharzt-Truck! Die dörfliche Struktur erhält einen neuen Mittelpunkt, die Kommunikation nimmt zu, die Qualität der medizinischen Versorgung steigt.
Nur eine Vision?

Diese Visionen können Wirklichkeit werden, wenn es uns gelingt, die verschiedenen Sektoren im Gesundheitswesen zusammen zu bringen und das MeinTöpfchenDeinTöpfchen-Denken durch einen gemeinsamen Erfolg zu flexibilisieren. Die Visionen können nur gesamtwirtschaftlich bestehen, eine Deckungsbeitragsrechnung in Budgettöpfen wird die Weiterentwicklung schon von Beginn an sterben lassen.
Die Bundeswehr lässt Hospitäler in Modulbauweise in entlegene Gebiete fliegen, in Australien fliegt der Arzt, in Indien fährt der hospital train: Visionen sind grenzenlos!
Wir sollten uns nicht damit zufrieden geben, dass der Witz:“Kommt ein Patient zum Arzt..“ zum schwarzen Humor des Monats gekürt wird. Soweit darf es nicht kommen.